Stefan Barth / Nenad Stefanovic: Dialog an der Donau

Stefan Barth / Nenad Novak Stefanovic: Dialog an der Donau. Gespräche zwischen einem Serben und einem Deutschen.
Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung. München 2013. 400 Seiten. 14,90 Euro.

Zu beziehen über:
Stefan Barth
Dreibergstr. 37, D-91056 Erlangen
Tel. +49 09131 44974,
E-Mail-Adresse: stefan.barth.er@gmx.de

Die serbische Fassung des Buches ist im Medienverlag “Krug”, Belgrad 2013, erschienen.
Titel: Dijalog jednog Srbina i Nemca na Dunavu.
ISBN 978-86-83523-46-7, 340 Seiten.

Der serbische Schriftsteller Nenad Stefanovic brach ein jahrzehntelanges Tabu in Jugoslawien, als er zwölf im Herbst 1995 geführte Gespräche mit Donauschwaben, die über ihre Erlebnisse in den Jahren 1944 bis 1948 berichteten, unter dem Titel “Ein Volk an der Donau” in serbischer Sprache veröffentlichte. “Nenad Novak Stefanović hat mit dem Buch Ein Volk an der Donau, mit dem ersten Buch der Trilogie Erde im Koffer und Der Doktor hört Swing das Thema eröffnet. Die Öffentlichkeit zeigte großes Interesse. Die Lesungen dieser Bücher waren Ereignisse in den Städten der Woiwodina. Bei einigen dieser Lesungen befanden sich Opfer und Täter im Saal. Auch nach sechzig Jahren war die Atmosphäre angespannt”, schrieb in diesen Tagen die serbische Literaturkritikerin Nadežda Radović. In “Dialog an der Donau” suchen Stefanovic und Stefan Barth, 2. Vorsitzender der Donauschwäbischen Kulturstiftung, nach den serbisch-deutschen Beziehungen in der Vergangenheit.

Stefan Barth / Nenad Stefanovic: Dialog an der Donau

“Wenn man mindestens ein Buch in der Woche liest, über Bücher schreibt, dann ist es nicht leicht, dass man von einem Buch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt wird”, zeigt sich Radović beeindruckt von dieser Neuerscheinung, ehe sie in ihrer Rezension fortfährt: “Nenad und Stefan haben viele Menschen gefunden, die Deutsche und Serben verbinden. Unter den größten deutschen Schriftstellern gibt es auch diejenigen die Serbisch sprachen, Serbisch schrieben und serbische Texte übersetzten. Die Zeit der Romantik in Deutschland ist mit der Bekanntmachung serbischer Volkslieder gekennzeichnet. Die Reformatoren Vuk Stefanović Karadžić und Dositej Obradović waren deutsche Schüler, die Gebrüder Grimm und Goethe konnten Serbisch. Vor Vuk Karadžić hat die serbischen Volkslieder ein Deutscher aufgeschrieben. Das Erlanger Manuskript ist eines der bedeutendsten Dokumente für die Kultur der Serben, obwohl es SANU (Die serbische Akademie der Wissenschaft und Kunst) beiseite geschoben hat. Vielleicht ist es ihnen unangenehm zuzugeben, dass ein Deutscher als erster unseren nationalen Schatz bewahrt hat und ihm gebührt der Dank, dass wir die früheren Versionen der Lieder in einer Ursprungsform haben, die Vuk Stefanović Karadžić hundert Jahre später aufgeschrieben hat. Und, o Wunder, dieses Manuskript wird in der Universitätsbibliothek der Stadt Erlangen aufbewahrt, in der Stefan Barth lebt.”

Radović schließt ihre Rezension mit einem Versöhnungsappell: “Also, jetzt sind wir schon so weit gekommen, dass die Serben am besten von unseren Schwaben verstanden werden, obwohl es dieselben sind, die wir stillschweigend vertrieben, ihres Vermögens beraubten und ihnen, nach den Gesetzen der damals geltenden Kollektivschuld, die Menschenrechte genommen hatten. Die Kollektivschuld ist heute nur noch ein schlechtes Beispiel der Abwesenheit von Menschenrechten. Unsere Schwaben haben sich ihr Leben weit von den balkanischen Turbulenzen eingerichtet, aber einige verspüren zwischen den Zehen immer noch den warmen, weichen Staub der Woiwodina aus ihrer Kindheit. Was hätten wir erreicht, wenn sie bei uns geblieben wären? Mit dem Arbeitseifer, Organisationstalent, Selbstdisziplin würden sie unsere Schwerfälligkeit und Desorganisation aufrütteln. Es ist nicht zu spät, sich bei unseren Nachbarn zu entschuldigen und Gedenkstätten dort zu errichten, wo Donauschwaben umgekommen sind. Sie sind unsere einzige Eintrittskarte in die Europäische Union.”

Stefan Barth / Nenad Stefanovic: Dialog an der Donau

Am 8. März 2013 erschien in der serbischen Tageszeitung “Danas” unter dem Titel “Ein Deutscher, der vor Vuk Karadžić serbische Lieder gesammelt hat” ein Auszug des Buches und zwar aus dem Kapitel “Erlanger Manuskript”. Um einen Einblick in den Charakter des Buches zu gewähren, sei hier ein kleiner Ausschnitt wiedergegeben:

Stefan
Kannst du ein Gedicht vorlesen? Kennst du die altslawische Schrift?

Nenad
Sie sind in kyrillischer Schrift, nach neuer Rechtschreibung veröffentlicht, so dass sie dem Gegenwartsleser verständlich sind. Ich habe eins ausgesucht, das zu unserem Thema passt. Aber ich wollte vorher noch etwas über die Bedeutung des Erlanger Manuskripts sagen. Es ist hundert Jahre vor den ersten Büchern des Vuk Stefanović Karadžić entstanden. Das Manuskript hat viele Lieder bewahrt, die sonst bis zur Zeit von Vuk Karadžić verloren gegangen wären. Einige der ersten notierten Lieder begegnen wir ein Jahrhundert später in Vuks Liederbuch als ausgearbeiteten Motiven und ganzen epischen oder lyrischen Gedichten, was für die Forscher eine Spur bedeutet, die verloren gegangen wäre, wenn man sie nicht rechtzeitig aufgeschrieben hätte.

Stefan
Für mich ist es wichtig, weil die Lieder ein Deutscher aufgeschrieben hat.

Nenad
Wahrscheinlich ist es ein großes Manko dieser Sammlung, denn dass ein Deutscher hundert Jahre vor Vuk Karadžić die serbischen Volkslieder aufgeschrieben und sie den Generationen überlassen hat, passt nicht in die Vorstellung über die Volkskunstwerke, die nur von der Hand “unseres Mannes” aufgeschrieben werden können, während der Fremde ein Feind ist. Das ist meine Erklärung für die Missachtung des Erlanger Manuskripts in der serbischen kulturellen Öffentlichkeit.

Sie auch: Dialog an der Donau
Unterwegs mit serbischen Intellektuellen

2013-03-15