Es bewegt sich Vieles im Bereich der Banater Historiographie in rumänischer, ungarischer und serbischer Sprache in Rumänien, Ungarn und in der Wojwodina. Der Temeswarer Journalist János Szekernyés hat bereits 2013 ein voluminöses und großformatiges (schweres!) Buch zur „Ungarischen Identität des Banats“ (Titel frei übersetzt) in drei Sprachen vorgelegt: ungarisch, rumänisch und englisch. Der ungarische Titel heißt: A magyarság emlékjelei a Bánságban. (rumänisch: Semne evocatoare ale maghiarimii in Banat; englisch: Evidence of Hungarian Presence in the Banat). Es ist das umfangreichste Banater Geschichtsbuch, das seit langer Zeit zu diesem Thema erschienen ist. (HangArt, Temeswar, ISBN 978-973-0-15793-2)
Die Förderer: Nationaler Kulturfond Ungarns, Stiftung Szülöföld, Stiftung Gábor Bethlen, Stiftung für die Entwicklung der Gemeinde Algyö, Komitatsrat Csongrád (Ungarn), Kreisrat Temesch, Demokratisches Forum der Ungarn in Rumänien, Stiftung Comunitas (Rumänien).
Schon der Umfang des Buches (über 700 Seiten), die Qualität der Ausstattung, das Layout, zeugen von der qualitätsvollen Zusammenarbeit eines großen Teams von Mitarbeitern. Das übergroße Format (größer als A4!) und das große Gewicht des Bandes lässt ihn auf den ersten Kontakt etwas unhandlich erscheinen.
Der erste Teil bringt einen allgemeinen historischen Abriss zur Geschichte des Banats in Verbindung mit dem Ungarntum: Ein gesegnetes Land, Schlösser und Kastells an der Südgrenze des Landes, Die Abwehr der osmanischen Gefahr, Das Land erobert, Der Schatten und die drückende Last des Halbmondes, Kolonie des Wiener Hofes, Das Ungarntum gewinnt an Bedeutung, In vorderster Linie der Modernisierung, Diaspora und der verzweifelte Kampf um die Existenz, Die lebendigen Säulen der Heldentaten unserer Vorfahren. Die gleichen Kapiteln folgen danach in rumänischer und englischer Sprache.
Im Kernteil des Buches sind in alphabetischer Reihenfolge alle Orte des historischen Banats aufgelistet, in welchen es Spuren ungarischer Geschichte oder Präsenz gab oder noch gibt: 9 Orte im ungarischen Banat, 35 im serbischen Banat und 68 um rumänischen Banat. Jede Seite besteht aus drei Spalten (ungarisch, rumänisch, englisch) Text und zahlreichen Farbbildern.
Ein weiteres besonderes Merkmal dieses Buches sind die vielen geschnitzten hölzernen Stehlen (Säulen) ungarischer Art, die an die Anwesenheit einer ungarischen Persönlichkeit oder ungarischer Kultur in dem jeweiligen Ort erinnern sollen. Bekanntlich sind besonders in den letzten Jahren in vielen Banater und siebenbürgischen Orten mit ungarischer Bevölkerung solche Stehlen errichtet worden, die teilweise bei rumänischen Bevölkerungsschichten Proteste ausgelöst haben.
János Szekernyés, der u.a. bereits mehrere Bände zur Geschichte verschiedener Temeswarer Kirchen veröffentlicht hat, ist einer der besten Kenner der Banater Kirchengeschichte. Dies kann man anhand vieler Aussagen in diesem Band bemerken. So erfährt der Leser viele interessante Daten zur Biographie weniger bekannter (oder zu Unrecht vergessener) Banater Persönlichkeiten. Natürlich finden wir besonders viele Petöfi-Statuen, Bilder des Hl. Stefan, Erinnerungen an die Millenniumsfeier von 1896 und an die Märtyrer der Revolution von 1848-1849. Die Beschreibung (und Auffindung!) der verschiedenen Gedenktafeln, Obelisken, Statuen, Denkmälern, historischen Gebäuden oder vergessenen Stätten ist nicht nur interessant sondern auch sehr lehrreich. Der Leser hat also in einer konzentrierten Form ein lexikalisches Werk vor sich, das er in dieser Form selten findet.
Trotz der hohen Qualität dieses Buches und der Quantität an Daten und Informationen, wäre die Bemerkung Albert Schweizers hier vielleicht am richtigen Platz gewesen: Weniger ist mehr. Wenn man z.B. die Frage beantworten sollte „Wer ist Ungar?“ und welche Persönlichkeiten sollte man in dieses ungarische Banat-Buch aufnehmen, so habe ich damit Probleme. So enthält das Buch u.a. viele deutsche bedeutende Persönlichkeiten, die zwar im historischen Ungarn lebten, ihre Namen auf den Gedenktafeln ungarisch geschrieben sind, aber keine Magyaren waren. Andere Namen von „ungarischen“ Persönlichkeiten stammen aus der Zeit der Magyarisierung und ihr Name wurde – welchen Gründen auch immer – ins Ungarische übersetzt. Dieselben Personen könnten also auch in einem Band mit dem Titel Deutsche Spuren im Banat erscheinen. Aber ein solches Buch wäre nicht zeitgemäß und historisch überholt. Jede einzelne ethnische Zerstückelung der Banater Geschichtsschreibung ist zwar für die Arbeitsweise in vielen Fällen notwendig, wäre aber nur ein Bruchteil der wahren und endgültigen Geschichte des Banats. Erst wenn wir alle nach ethnischen Kriterien entstandenen Darstellungen übereinanderlegen und objektiv sortieren enthalten wir das wahre Bild dieser so vielfältigen Kulturlandschaft. Und deshalb sind solche Veröffentlichungen wie dieses Buch von János Szekernyés für unsere Identität – die wir anscheinend noch immer nicht so genau kennen – so wichtig.
2015-12-30