Tagebuch eines Tito-Partisanen – Deutsche Ausgabe von Zavadlavs “Späte(r) Beichte”

_Zavadlav, Zdenko: Späte Beichte. Aus dem Tagebuch eines slowenischen OZNA-Mannes.- Klagenfurt/Laibach/Wien 2010. Mohorjeva-Hermagoras Verlag. 299 Seiten, gebunden, 29,90 Euro.

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Die Hermagoras ist die älteste eigenständige Institution der Kärntner Slowenen. Das Hauptanliegen des Vereins besteht in der Pflege und Erhaltung der slowenischen Sprache und Kultur in Kärnten. Mit einem eigenständigen Medienangebot, Literatur in beiden Landessprachen, einem zweisprachigen Erziehungs- und Bildungswesen und einem breiten Veranstaltungsprogramm fungiert die Hermagoras als lebendige Brücke nicht nur zwischen den beiden Volksgruppen in Kärnten, sondern auch zwischen Österreich und Slowenien.

Zur Person der Autors:

Zdenko Zavadlav (1924-2006) schloss sich schon früh der Jugendsektion der Osvobodilna fronta (Befreiungsfront) an. Er war Mitglied des Nachrichtendienstes in Goriska (Gebiet um Görz). 1942 Inhaftierung durch die italienische Polizei. Danach Mitarbeiter des VOS (Nachrichtensicherheitsdienst der damaligen Kommunistischen Partei in Slowenien, später integriert in die OZNA). Ab 1944 in der Untersteiermark OZNA-Zuständiger für die Stadt Marburg (Maribor). 1948 Verurteilung zu 20 Jahren Haft durch das Tito-Regime. 1954 Freilassung auf Bewährung. Bis zur Pensionierung 1975 in der Tourismusbranche tätig. Gestorben am 15. September 2006.

Rezension:

Vier Jahre nach seinem Tod sind die Aufzeichnungen des einstigen Tito-Partisanen von 1945 und 1946 nun auch in deutscher Sprache erschienen. Obgleich sich die Schilderungen mit dem slowenischen Raum – also um kein donauschwäbisches Siedlungsgebiet – befassen, liefern diese Notizen auch für Donauschwaben interessante Einblicke in die Befindlichkeit der Partisanen. Bereits im Vorwort distanziert sich Zavadlav von den Verbrechen, indem er seine Schriften “allen Kriegs- und Nachkriegsopfern, die von der slowenischen Polizei … getötet wurden” widmet, ehe er ergänzt: “Der größere Teil der Angehörigen der Polizei und ihrer militärischen Einheiten hat nicht aus Hass oder Rache gehandelt. Er war im Getriebe, dem er nicht entrinnen konnte, gefangen. Oder er war vom ‚bolschewistischen Glauben’ und dessen revolutionären Aposteln verführt und betrogen worden.” Dass diese Distanzierung nicht aus Opportunismus erfolgte, wird bereits im einleitenden Interview mit seiner Frau deutlich. Vera Trampuz-Zavadlav berichtet von Drohungen am Telefon, einem “Verkehrsunfall” und sogar Schüssen auf die Wohnung. Ehemalige OZNA-Leute forderten ihn auf, das Schreiben einzustellen, wenn er länger leben wolle. Der publizistischen Tätigkeit konnten diese Drohungen jedoch nicht Einhalt gebieten, denn für Zavadlav war es wichtig – so seine Frau -, “dass die historischen Fakten so dargestellt werden, wie sie wirklich waren, nicht kaschiert und geschönt, was in unseren Geschichtsbüchern der Fall ist”.

In dem Kapitel “Die Aussiedlungen der Deutschen aus der Untersteiermark” (S. 109-118) schreibt der Geheimdienstmann:

“In Marenberg (Mahrenberg) gibt es reiche deutsche Familien, größtenteils ohne Männer, denn diese sind bereits nach Österreich geflüchtet. Die Leute sind sehr verängstigt, aber noch immer vornehm und edel. Sie können nicht verstehen, dass sie für immer fortgehen müssen. … Wir fahren nach Sterntal. Das, was ich tue, ist keine schöne Beschäftigung. Die Ausgesiedelten sind allesamt einfache Leute. … Die Unsrigen sind in der Burg oberhalb von Gutenstein. Dort teilen wir uns auf. Ich bekomme den traurigsten Teil zugewiesen: die Knappensiedlung in Prevalje (Prävali). Richtig armselige, stinkende Wohnungen. Alte Leute und Slowenen obendrein. Auf die Listen kamen sie wegen ihrer Mitgliedschaft im Kulturbund, dem sie wegen der finanziellen Unterstützung beigetreten sind. … Das alte mittelalterliche Ptuj (Pettau) in der Nacht. Alte Gebäude mit ihren bildschönen Portalen, Vorhallen und Stiegenhäusern. Wir steigen empor zu den Wohnungen, wo jene wohnen sollen, die wir für die Aussiedlung suchen. Das sind meist antiquarisch eingerichtete, vollgestopfte Wohnungen mit alten Bewohnern, die fast kein Slowenisch sprechen. Auf unsere Mitteilung über die Aussiedlung reagieren sie geradezu panisch. Alles zusammen ist eigentlich eine einzige große Misere.”

Besonders dramatisch ist dann die Schilderung über die Vorkommnisse in Fuchsdorf (Fiksinci) auf den Seiten 114/115:

“Bei einem Haus will man die Tür nicht öffnen. Wir schlagen auf die Tür ein. Ich bin schon müde, deshalb setzt der KNOJ-Mann die Arbeit fort. Da wird die Tür plötzlich sperrangelweit aufgerissen und ein riesiger Bauer tritt mit einer Axt heraus. Mit ihr spaltet er dem KNOJ-Offizier den Kopf geradewegs durch die Mitte. … Der Schwabe brüllt an der Tür und stürzt mit der Axt vorwärts. Ich weiche zurück, die das Haus umzingelnden KNOJ-Männer beginnen gegen das Haus zu schießen. Sie töten den Bauern und wie wir später gesehen haben, auch die ganze Familie mitsamt den Kindern.”

Nachdenkliche Töne mischen sich in Zavadlavs Gedanken, wenn er über den Grund der “Aussiedlung” grübelt: “Siedeln wir sie deshalb aus, weil wir uns der Deutschen in der Steiermark entledigen wollen, oder deshalb, weil sie mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet haben? … Warum hat jener Bauer dem KNOJ-Offizier den Kopf gespalten? Aus Hass gegen die Partisanen oder aus Verzweiflung, weil er die Heimatscholle verlassen musste?” (S. 115)

Bemerkenswert seine Feststellung: “Im Übrigen konnten sie aber als Deutsche nichts anderes tun als mit den Nazis zusammenzuarbeiten. Das taten sogar viele slowenische Steirer.” (S. 115)

Nicht mit den Nationalsozialisten arbeitete Herta Haas (1924-2010) zusammen. Vor und während des Krieges war die Volksdeutsche Parteifunktionärin in Zagreb, außerdem die zweite Ehefrau von Tito. Obwohl sie also eine kommunistische Größe in Kroatien gewesen ist, war auf Grund der Sündenbockfunktion, welche die deutsche Minderheit nun einnahm, klar, dass Tito sie als Ehefrau für politisch nicht mehr tragbar befand. Immerhin konnte aber der 1941 geborene gemeinsame Sohn Miso Broz von 2004 bis 2009 kroatischer Botschafter in Indonesien werden.
Viel schlimmer erwischte es eines von mehreren außerehelichen Kindern des Marschalls: Hans Studer fiel als Soldat der Wehrmacht ausgerechnet im Kampf gegen die Tito-Partisanen. Doch zurück zu Herta Haas. Deren Mutter war auch unter jenen, die von Zavadlav aufgefordert wurden, ihre Sachen zu packen und sich auf die Abreise vorzubereiten (S. 108). Erstaunt nimmt er von seinem Chef zur Kenntnis, dass es sich um Titos Schwiegermutter handle, die daraufhin natürlich nicht aus ihrem Anwesen verschwinden muss. “Ein Volksdeutscher, der ein Verwandter des Marschalls ist, ist natürlich kein Volksdeutscher mehr und auch kein ‚Mitarbeiter des Okkupators’. Es gibt also mehrere Wahrheiten, nicht nur eine!”, lautet das bittere Fazit Zavadlavs (S. 199).

2011-01-16