Tomislav Ketig: Die langen Schatten der Morgendämmerung

Tomislav Ketig legt neuen Roman vor – Deutscher Ansiedler als Hauptfigur

Ein Buch, das es verdient von Deutschen gelesen zu werden ist der historische Roman Die langen Schatten der Morgendämmerung von Tomislav Ketig. Ich habe mich mit Herrn Ketig in Novi Sad getroffen und mit ihm eine deutsche Ausgabe besprochen.
Der Roman “Die langen Schatten der Morgendämmerung” ist ein historischer Roman in dessen Mittelpunkt der Lebensweg seines Haupthelden Abraham Kertner steht, eines Deutschen, der in Koblenz geboren wurde und der als Aussiedler in die Batschka zog. Dort verbrachte er sein Leben und spielte, als Vertreter seines Volkes in diesem Gebiet, eine bedeutende Rolle bei den Ereignissen und der Entwicklung im gesamten Raum des Österreichischen Kaiserreiches, in einer Zeit, als sich das multiethnische Bild auf dem Gebiet des südlichen Ungarns, heute Wojwodina, herausbildete. In dem Romanhelden sind alle Tugenden der deutschen Ansiedler vereint.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts haben mehr als 150.000 Menschen die Gebiete im Westen und Südwesten Deutschlands und Österreichs verlassen und besiedelten die südlichen Habsburger Gebiete, die nach dem Krieg mit den Türken verwüstet waren. Die Kolonisten waren Bauern und Handwerker. Aus ihnen sind die Donauschwaben hervor gegangen. Es waren die ersten freien Bauern Europas.
Es gab drei große Schwabenzüge unter den österreichischen Kaisern Karl VI, Maria Theresia und Josef II.
Der Roman umfasst den Zeitraum von 1762 bis 1849, als in diesem Raum, sowie in ganz Europa, große gesellschaftliche Veränderungen stattfanden. Die Zeit ist gekennzeichnet durch die Revolution und Konflikte zwischen den europäischen Großmächten. Danach hat sich die Landkarte Europas radikal verändert.
Der Hauptheld dieses Romans teilt in Allem das Schicksal der deutschen Einwanderer im Donauraum, nimmt aber auch teil an politischen Ereignissen und arbeitet mit bedeutenden Persönlichkeiten Ungarns und Österreichs zusammen. Der Roman berührt auch detailliert den Aufstand der Serben gegen die Türken, die revolutionären Unruhen in Ungarn und Italien, die Napoleonischen Kriege, so dass es ein breites Panorama der Persönlichkeiten und Ereignisse jener Zeit darstellt, wobei es auch einige ausgedachte Persönlichkeiten gibt, was in literarischen Werken üblich und natürlich ist.
Schon damals, lange vor der Europäischen Union, gab es prominente Menschen, die nicht vom Nationalismus und religiösem Fanatismus befallen waren und eine Vision von einem friedlichen Vielvölkerstaat hatten. Dazu zählt der Reformator Kaiser Josef II.
Der Roman ist vor allem für jene Leser interessant, die gewillt sind mehr über die Zeit zu erfahren, als ihre Vorfahren im Südosten Europas siedelten und deren weite Nachfahren das Gebiet 1945 unter tragischen Umständen wieder genau so arm verlassen mussten, indem sie alles, was ihre Väter, Großväter und Urgroßväter geschaffen hatten, zurückließen. Der Roman ist auch für alle anderen Leser interessant, die sich für Mitteleuropa und darüber hinaus interessieren, weil er eine Zeit schildert, ohne deren Kenntnisse man die Prozesse, die diesen Raum später erfasst haben, insbesondere im Zweiten Weltkrieg und in den neunziger Jahren des 20sten Jahrhunderts nicht verstehen kann.
Herr Ketig hat 20 Jahre lang in den Archiven recherchiert und am Roman geschrieben. Der Roman ist 2007 in zwei Bänden in serbischer Sprache erschienen.
Tomislav Ketig ist Schriftsteller und Enzyklopädist, geboren am 17.09.1932 in Nova Gradiška, in einer slawonischen Stadt in Kroatien. Seine Vorfahren kamen aus dem Ort Kettig bei Koblenz und ließen sich im 18. Jahrhundert in Waraschdin (Varaždin) nieder. Sein Großvater Dr. Ferdinand Kettig zog nach Vukovar, wo er als Rechtsanwalt arbeitete und später als öffentlicher Notar tätig war. Sein Vater war Gymnasiallehrer.
Seine Kindheit, die bleibende Spuren in seinen Erinnerungen hinterlassen sollte (1941-1946), verbrachte er in der Banater Stadt Weißkirchen. Die Familie seiner Mutter stammt aus diesem Ort. Mit der Stadt verbanden ihn und seine Eltern feste Freundschaften mit zahlreichen alteingesessenen serbischen und deutschen Familien. Aus Weißkirchen zogen sie nach Novi Sad, wo Tomislav Kettig im Gymnasium “Jovan Jovanovic Zmaj” das Abitur absolvierte. Von 1951 bis 1959 studierte er Medizin an der Universität in Belgrad, aber seine Neigung ging mehr in Richtung Literatur und deshalb diplomierte er über jugoslawische Literatur und südslawische Sprachen auf der Philosophischen Fakultät in Novi Sad. Seine Karriere als Schriftsteller begann er 1951, als er seine ersten Gedichte veröffentlichte. Er schreibt Gedichte, Erzählungen, Romane, Dramen, Essays und Studien aus Kultur und Geschichte, sowie Literaturkritiken. Er war Sekretär des Schriftstellerverbandes der Wojwodina (1969-1971) und danach Vorsitzender des Verbandes (1971-1975). Von 1975 bis 1978 war er zunächst Stellvertreter und dann Vorsitzender des Jugoslawischen Schriftstellerverbandes. Er ist auch Mitglied des Kroatischen Schriftstellerverbandes in Zagreb und der internationalen Schriftstellervereinigung PEN.
Er hat eine Reihe von Romanen geschrieben, die alle mit Menschen deutscher Herkunft zu tun haben. Die serbische Fassung des Romans Die langen Schatten der Morgendämmerung erschien 2007 unter dem Titel Duga senka svitanja und hat 1100 Seiten. Für eine deutsche Ausgabe müssen wir mit rund 1300 Seiten rechnen.

Stefan Barth

2009-11-13