Bereits 2017 hatte Helmut Erwert mit „Elli oder die versprengte Zeit“ einen bemerkenswerten Roman vorgelegt. Der ehemalige Gymnasiallehrer, der 2017 für sein Lebenswerk mit der Ehrengabe des Donauschwäbischen Kulturpreises des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde, thematisiert in diesem Roman die Umbrüche 1941 und 1944/45 in Jugoslawien. Mitte Oktober 2019 stellte Erwert nun im Straubinger Saal der Hubertushalle ein weiteres Buch vor: Schicksalstage im Herzen Ostbayerns.
Bevor die Vertreter der Stadt und des Landkreises ihre Grußworte an die Versammelten richteten, hieß die Sprecherin des Attenkoferverlages die Gäste willkommen, dankte den Instanzen der öffentlichen Hand, die die Herausgabe des Buches durch ein Geleitwort und finanziell gefördert hatten: dem Bezirkstagspräsidenten von Niederbayern, dem Bezirkstagsvizepräsidenten, dem Oberbürgermeister der Stadt, dem Landrat von Straubing-Bogen, sowie dem Vorsitzenden des Fördervereins für Kultur und Forschung. In geraffter Kürze schilderte die Verlagssprecherin die jahrzehntelange historische Forschungsarbeit des Banater Historikers und Verfassers des neuen Buches und gab einen Überblick über Helmut Erwerts zahlreiche regionalhistorische Publikationen, von denen die meisten im Verlag „Cl. Attenkofer“ erschienen waren, darunter das grundlegende Standardwerk der Geschichte der Region Straubing-Bogen zum Epochenwechsel 1945 mit dem Titel „Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie“. In diesem Buch nimmt das Schicksal der vertriebenen Deutschen bereits einen breiten Raum ein, Zeugen aus der Erlebnisgeneration, die heute nicht mehr befragt werden können, kommen vielfach zu Wort. Wegen der publizistischen Verdienste hat der im Banat geborene Autor herausragende Ehrungen erfahren, die Verlagsvertreterin nannte unter anderem die Verleihung der „Josef-Schlicht-Medaille“ in Gold als höchste Kulturauszeichnung des Landkreises Straubing-Bogen, ferner die Einladung zum Neujahrsempfang 2019 nach Berlin ins Schloss Bellevue durch den Bundespräsidenten.
Teile des Buches – so der Autor - beinhalteten Aufsätze aus der Perspektive der Jetztzeit, die einen versöhnlichen Brückenschlag zur vergangenen Umbruchszeit und zu anderen Völkern versuchten, etwa zu den Vertreiber- und Herkunftsstaaten der heimatberaubten Auslandsdeutschen. In einem der Aufsätze schildert der Autor, wie der serbisch-orthodoxe Bischof von Novi Sad (Neusatz) eine Delegation deutscher Vertriebener aus dem serbischen Banat empfing. Der hohe Geistliche betete mit ihnen an den Massengräbern ihrer in der Tito-Zeit umgekommenen Verwandten. In einem anderen Text fährt eine nostalgische Reisegruppe durchs rumänische Banat, bestaunt das Gebäude des deutschen Gymnasiums in Temeschwar, wo die Schriftstellerin Herta Müller zur Schule ging, erfährt tags darauf, dass am selben Tag der ehemaligen Schülerin der Literaturnobelpreis zugesprochen worden war. Ihr ist im neuen Buch ein eigener Aufsatz gewidmet mit der Überschrift „Globale Aufmerksamkeit für einen Krähwinkel“ – mit den Zwischentiteln „Landschaft der Heimatlosigkeit“, „Monomanin des Schmerzes“, „Das Banater Dorf“ und „Fremdheit und Zugehörigkeit“. (Mehr dazu im Aufsatz „Gedanken zur gegenwärtigen Zeitenkrise – Aus der Rede des Autors bei der Einführung des Buches ‘Schicksalstage im Herzen Ostbayerns‘“). In einem anderen Aufsatz reist der Autor Helmut Erwert in seine Geburtsstadt Weißkirchen im Banat, heute Bela Crkva, hält eine Lesung aus seinem Roman „Elli oder Die versprengte Zeit“ in deutscher Sprache, die dort lange Zeit verboten war. Der biografische Roman schildere die friedlich-idyllische, dann traurige Geschichte des südosteuropäischen Ortes und seiner Bevölkerung als exemplarische Ereignisse für das Schicksal Tausender „Zwangsmigranten“ aus der pannonisch-europäischen Ecke. Die sprachlich-literarische Verarbeitung seiner behüteten, dann „versprengten“ Kindheit sei ein Versuch gewesen, das eigene Erleben im Inneren endlich zu beruhigen, bekennt der Verfasser. Dieses friedliche, danach zerstörte Leben im Banat ist im Roman „Elli oder Die versprengte Zeit“ literarisch festgeschrieben.
Bibliographische Daten:
Erwert, Helmut: Schicksalstage im Herzen Ostbayerns.- Straubing 2019.
Das Buch ist über alle Buchhandlungen sowie über das Internet erhältlich.
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