Stid (Scham) - Serbische Gedanken zu Rudolfsgnad (Knićanin)

SRPSKI
DEUTSCH

“Das war für mich ein Schock. Ich habe Wochen gebraucht, um mich davon zu erholen”, so der Serbe Predrag Bambić auf der Belgrader Veranstaltung zum serbischen Film “Die Donauschwaben” (“Danube Swabians” – “Podunavske Svabe”) am 7. Dezember 2011 (mehr über diese Veranstaltung: Serbischer Film: Furiose Premiere in Belgrad vor 300 Besuchern) über seine zufällige Bekanntschaft mit den Massengräbern von Rudolfsgnad. Rudolfsgnad: Ein Ort, der bis zur Internierung der deutschen Bevölkerung 3200 Einwohner hatte. Dieser Ort wurde von Oktober 1945 bis März 1948 zum größten Lager für die Deutschen in Jugoslawien mit bis zu 20 500 Gefangenen und mehr als 11 000 Toten umfunktioniert und gilt als Vernichtungslager für Alte, Kranke, Kinder und Frauen mit Kleinkindern. Die ersten Massengräber wurden im hinteren Teil des Friedhofs von Rudolfsgnad ausgehoben. Bis zum 13. Februar 1946 wurden dort 3334 im Lager verstorbene Personen begraben. Danach wurde seitens der Partisanenführung die Teletschka, eine etwa zwei Kilometer südlich des Ortes gelegene Anhöhe, für die Anlage von weiteren Massengräbern ausersehen. Dort sind vom 14. Februar 1946 bis März 1948 mehr als 7000 Deutsche verscharrt worden. Wenige Tage vor Weihnachten 2011 schildert nun der Belgrader Film- und Fernsehdirektor Predrag Bambić seine Gedanken zu den in seinem Land so lange verschwiegenen Verbrechen in Rudolfsgnad (Knićanin). Für die Übersetzung in die deutsche Sprache sorgte Stefan Barth, der Vize-Präsident der Donauschwäbischen Kulturstiftung.

Predrag Bambic
Predrag Bambic am 7. Dezember 2011 im Belgrader Jugendzentrum - Foto: Vishnja Cupic

SRPSKI

STID

Nesvakidašnja prilika da upoznam izuzetno zanimljivu ličnost legendarnog konstruktora filmskih kamera Alberta Mayera i njegova životna priča su mi otvorili vrata jednog od najpažljivije čuvanih i dosledno prećutkivanih tabua novije istorije naroda kom pripadam. Ta vrata skoro zaboravljenog kutka pakla se još uvek, uz škripu zardjalih šarki, s mukom otvaraju.

G. Albert Mayer je rodjen u Perlezu (Perles) u blizini Zrenjanina (Großbetschkerek) i jedan je od dece koja su preživala užase logora u Knićaninu (Rudolfsgnad) neposredno posle II Svetskog rata. Na početku II Svetskog rata je imao 5 godina, na kraju 9 godina. Tokom rata je bio dete.

U potrazi za preživelim savremenicima i tragovima artefakata koji bi potvrdjivali potresnu priču o njegovom detinjstvu i odrastanju, došao sam ne samo do njegovih još uvek živih drugova iz detinjstva već i do spomen-obeležja u Telečkoj. U sred njive u ravnici. Oranice okolo. Pod oranicam – ko zna šta je…

A onda sam stigao i do Knićaninskog groblja na kome Podunavskih Švaba umrlih uglavnom od gladi, hladnoće i bolesti u posleratnim godinama u obližnjem logoru. Jedan deo groblja, noviji, sa spomenicima preminulih od 1946. naovamo, relativno uredan. Od pola groblja – šikara. Kroz gusto granje se teško nazire poneki stari spomenik sa jedva prepoznatljivim Nemačkim imenom.

Šikara. Kroz žbunje se ne može proći. Kapela. Na malom proplanku – spomenik. Sve ostalo - zapuštena šikara… Teško mi je da opišem šok zbog spoznaje zločina, užas spoznatim razmerama i stid zbog prepoznavanja namere da se zločin prikrije.

STID.

Stid zbog ogromnog zločina koji je počinjen u ime naroda kojim i sam pripadam. U ime Jugoslovenskih naroda. U moje ime.

Stid zbog prećutkivanja tog zločina.

Stid zbog takvog odnosa prema pokojnima.

Da li je moguće – a moguće je, video sam – da i moja država i Nemačka imaju takav odnos prema svojim sunarodnicima? Da li je to moguće popraviti? Hoće li obe zemlje propasti ako pokažu malo, samo malo pristojnosti prema onima koji više ne mogu da progovore u svoje ime?

Koliko će još dugo smrt nevinih ostati tabu? Zašto mi obe zemlje nanose sramotu koju ne zaslužujem?

Predrag Bambić

Teletschka-Denkmal in Rudolfsgnad
Gespenstische Atmosphäre am Teletschka-Denkmal in Rudolfsgnad - hier liegen mehr als 7000 Deutsche begraben - Foto: Marko Cvejic

DEUTSCH

SCHAM

Es ist eine nicht alltägliche Gelegenheiten, eine ausnahmslos interessante Persönlichkeit, den legendären Konstrukteur von Filmkameras, Albert Mayer, kennenzulernen. Seine Lebensgeschichte öffnete mir die Tür zu einem sorgfältig und konsequent verschwiegenen Tabu der neueren Geschichte des Volkes, dem ich angehöre. Diese Tür, zu einem fast vergessenen Winkel der Hölle, öffnet sich unter dem Krächzen der verrosteten Scharniere nur mühselig.

G. Albert Mayer wurde in Perles (Perlas), in der Nähe von Großbetschkerek (Zrenjanin) geboren und ist eins der Kinder, die die Schrecken des Lagers Rudolfsgnad (Knićanin) unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg überlebten. Am Anfang des Zweiten Weltkrieges (in Jugoslawien begann der Krieg erst 1941, Anm. d. Red.) war er 5 Jahre alt, am Ende 9 Jahre alt. Während des Krieges war er ein Kind.

Auf der Suche nach überlebenden Zeitgenossen und den Spuren nach materiellen Kulturzeugnissen, die die erschütternde Geschichte seiner Kindheit und seines Aufwachsens bestätigen sollten, stieß ich nicht nur auf seine immer noch lebenden Freunde aus seiner Kindheit, sondern auch auf die Gedenkstätte auf der Teletschka. Mitten im Feld im Tal. Ringsherum Ackerfeld. Unter dem Acker – wer weiß was sich dort befindet.

Dann kam ich auch an den Rudolfsgnader Friedhof, auf dem Tausende Donauschwaben begraben wurden, gestorben in den Nachkriegsjahren vor Hunger, Kälte und Krankheiten, im nahe gelegenen Lager. Ein Teil des Friedhofs, der neuere Teil mit den Grabmälern der Verstorbenen seit 1946, relativ ordentlich. Die Hälfte des Friedhofs – Gesträuch. Durch das Dickicht erkennt man mühsam einzelne alte Grabmale mit kaum erkennbaren deutschen Namen.

Friedhof von Rudolfsgnad
Versunkene Welt - versteckt und zugewachsen: Donauschwäbische Grabsteine auf dem Friedhof von Rudolfsgnad - Foto: Marko Cvejic

Dickicht. Durch das Gestrüpp kommt man nicht hindurch. Eine Kapelle. Auf einer kleinen Lichtung – ein Denkmal.

Alles andere – verwahrlostes Dickicht.

Nach der Kenntnis über die Verbrechen, den erkennbaren Umfang des Horrors und die Scham, weil man die Absicht hatte das Verbrechen zu verbergen, kann ich den Schock nur schwer beschreiben.

SCHAM.

Scham, wegen des riesigen Verbrechens, das im Namen des Volkes, dem ich angehöre, begangen wurde. Im Namen der jugoslawischen Völker. Auch in meinem Namen.

Die Scham wegen des Verschweigens dieser Verbrechen.

Die Scham, wegen des Verhaltens gegenüber den Toten.

Ist das möglich – es ist möglich, ich habe es gesehen – dass auch mein Staat und Deutschland so ein Verhältnis zu ihren Landsleuten haben? Kann man das wiedergutmachen? Würden beide Länder daran scheitern, wenn sie ein wenig, nur ein wenig Anständigkeit jenen gegenüber zeigen, die nicht mehr in eigenem Namen reden können?

Wie lange noch wird der Tod Unschuldiger ein Tabu bleiben? Warum fügen mir beide Länder eine Schande zu, die ich nicht verdient habe?

Predrag Bambić

2011-12-18