Oberösterreich: Erinnerungstag der Heimatvertriebenen (11. 6. 2011)

Hohe Auszeichnung für den Belgrader Professor Ziletic

Seit 2008 findet jedes Jahr am zweiten Samstag im Juni die gemeinsame Gedenkveranstaltung des Landes Oberösterreich und des Kulturvereins der Heimatvertriebenen (Donauschwaben, Buchenlanddeutsche, Karpatendeutsche, Sudetendeutsche, Siebenbürger Sachsen) unter der Bezeichnung “Erinnerungstag der Heimatvertriebenen in Oberösterreich” statt. Die Ausrichtung der Veranstaltung am 11. Juni 2011 in Marchtrenk bei Linz lag in der Verantwortung der Donauschwaben und stand unter dem Leitgedanken “Erinnerung behalten – Zukunft gestalten”. Höhepunkte waren die Ehrungen von Prof. Zoran Ziletic mit dem “Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse” und Jovica Stevic mit der “Verdienstmedaille in Gold” der Landsmannschaft der Donauschwaben in Oberösterreich “in Anerkennung und Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Landsmannschaft der Donauschwaben”.

Georg Wildmann, Anton Ellmer, Jovica Stevic, Zoran Ziletic
Auszeichnung von Jovica Stevic (2. von links) und Prof. Zoran Ziletic (3. von links); links: Prof. Georg Wildmann (Stellvertretender Landesobmann der Donauschwaben in Oberösterreich; Beirat der Donauschwäbischen Kulturstiftung); rechts: Anton Ellmer (Landesobmann der Donauschwaben in Oberösterreich)

Die Festansprache hielt mit Dr. Josef Pühringer der Landeshauptmann von Oberösterreich. Zunächst ging dieser auf das Anliegen von Anton Ellmer, dem Landesobmann der Donauschwaben in Oberösterreich, ein. Ellmer hatte in seiner Ansprache das Ziel ausgegeben, den Erinnerungstag österreichweit einzuführen und Pühringer um seinen Einsatz für dieses Unterfangen gebeten. Pühringer versicherte seine Unterstützung: “Diese Aufgabe will ich gerne annehmen. Ich halte das für wichtig und gerechtfertigt. Am Bemühen und an Initiativen wird es nicht fehlen.” Der Landeshauptmann wies auf den wichtigen Beitrag der Heimatvertriebenen für die politische Stabilität der Zweiten Republik hin: “Sie, die alles verloren hatten, wussten um den Wert des privaten Eigentums, sie lehnten daher kommunistische Modelle entschieden ab.” Außerdem zollte Pühringer den Vertriebenen ein Lob für ihren Einsatz in der alten Heimat, indem er feststellte:
“Schon lange vor der europäischen Wende haben sie in ihrer alten Heimat geholfen. Nach der Öffnung des ‚Eisernen Vorhangs’ waren die Heimatvertriebenen die ersten, die in die Nachbarländer Mittel-, Ost- und Südosteuropas fuhren. Was sie alle in ihrer früheren Heimat geleistet haben, an unzähligen positiven Begegnungen mit den Menschen, die heute dort leben, die materielle Hilfe für den Wiederaufbau jener Orte, Kirchen und Friedhöfe, denen sie sich verbunden fühlen, ist kaum messbar. Das war und ist alles nicht selbstverständlich. Auch dafür gilt es Danke zu sagen.”
Ferner machte der Landeshauptmann deutlich, dass Diskriminierung in der Europäischen Union nicht hinnehmbar ist. Wörtlich sagte er: “Europa ist aber kein Raum für Dekrete aus der Welt der 40er Jahre. Diese Dekrete, sowohl von Herrn Benes oder AVNOJ, die heute noch diskriminieren, diese Dekrete sind ein Stachel in der Wertegemeinschaft Europa. Europa ist nicht mehr das Europa der 40er Jahre. Das ist eine rein moralische Frage, eine Frage von Würde und Werten, nicht eine Frage von Wiedergutmachung. Wir Oberösterreicher haben die Erfahrung gemacht: Wahrheiten auszusprechen, Wahrheiten anzunehmen, das bringt Respekt, Partnerschaft, Achtung. Wahrheiten auszusprechen heißt Wunden zu heilen. Wahrheit, Erinnerung, nicht vergessen werden, das wünschen sich die Opfer, in welchem Land Europas auch immer, ob in Russland, Polen, in der Tschechischen Republik, aber ebenso in den Niederlanden oder Italien. Genau das wünschen sich aber auch die deutschsprachigen Heimatvertriebenen.”
Pühringer zeigte sich zuversichtlich, durch die Wahrheit zum echten Miteinander in Europa zu kommen: “Immer wieder kann man den Satz hören: ‚Man soll die Gegenwart und die Zukunft nicht mit Fragen der Vergangenheit belasten.’ Sie kennen diesen Satz zur Genüge. Damit will man unangenehme Fragen verdrängen. Für dieses Verdrängen sind wir in Oberösterreich nicht zu haben.”

Josef Pühringer
Festansprache von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer - Foto: Monika Geier

Im Anschluss an seine Festansprache hielt der Landeshauptmann die Laudatio auf Zoran Ziletic. Der Belgrader Universitäts-Professor wurde von Pühringer mit dem ihm vom österreichischen Bundespräsidenten Fischer verliehenen “Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse” ausgezeichnet. Bereits im Jahre 2001 hatte Prof. Ziletic das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Die Laudatio von Landeshauptmann Pühringer im Wortlaut: “Um Wahrheit und vor allem Miteinander geht es auch einer Persönlichkeit, die ich heute mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse auszeichnen darf. Ich meine Professor emeritus Dr. Zoran Žiletić, der es sich zu seinem Lebenswerk gemacht hat, die Beziehungen zwischen den ehemaligen Jugoslawiendeutschen, ja dem Gesamtdeutschtum und dem serbischen Volk wiederherzustellen.
Als ehemaliger Direktor des Instituts für Germanistik an der Univ. Belgrad und Präsident der Gesellschaft für serbisch-deutsche Zusammenarbeit in Belgrad haben Sie, Herr Professor, Ihre ganze Persönlichkeit sowie Ihre außergewöhnlichen Kenntnisse der deutschen Sprache, Literatur und Kultur, in die Versöhnung der beiden Völker der Serben und Deutschen hineingelegt.
Neben der Herausgabe und Verbreitung von einschlägiger Literatur und deren Verteilung an für die öffentliche Meinungsbildung in Serbien wichtigen Personen und Institutionen, waren es vornehmlich Gedenkveranstaltungen an den Massengräbern in Rudolfsgnad, die zur Wiederherstellung der guten Beziehungen beigetragen haben.

Lange bevor mit der Errichtung von Mahnmalen für die etwa 12.000 donauschwäbischen Opfer von Rudolfsgnad, die in Massengräbern verscharrt wurden, begonnen wurde, hat Prof. Žiletić die Initiative ergriffen und mit großen Hinweistafeln das Gelände markiert, um es so vor ev. Schändungen abzusichern.

Donauschwäbische Trachtengruppe Pasching
Donauschwäbische Trachtengruppe Pasching

Zahlreiche Mitgliedschaften in Fachgremien wie der Arbeitsgruppe “Kulturstraße Donau”, im wissenschaftlichen Rat des “Institutes für deutsche Sprache” in Mannheim oder des “Zentrums gegen Vertreibung” in Wiesbaden, ergänzen ihr Engagement für Wahrheitsfindung und Völkerverständigung.

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Žiletić!

Diese Auszeichnung soll dokumentieren, zu welch eindrucksvollen Leistungen Menschen fähig sind. Sie haben mit Mut, Innovation, Fleiß und Ausdauer gezeigt, dass sowohl die Sicherung der Identität als auch die vollständige Integration möglich ist und haben sich als Brückenbauer zwischen der neuen und der alten Heimat nachhaltig großartige Verdienste erworben. Herzliche Gratulation zum Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, I. Klasse!”

Volkshaus in Marchtrenk
Das Volkshaus in Marchtrenk war bis auf den letzten Platz besetzt. Im Vordergrund links: Anton Ellmer, Landesobmann der Donauschwaben in Oberösterreich; gegenüber dessen Stellvertreter Prof. Georg Wildmann, der zugleich Beirat der Donauschwäbischen Kulturstiftung ist. Foto: Rosa Speidel

Prof. Ziletic erklärte in seiner Ansprache, er fühle sich “innigst betroffen” und halte die Auszeichnung für eine “große Ehre”. Außerdem wies er darauf hin, dass die Vojvodina eine Kulturlandschaft sei, die durch die Ansiedlung donauschwäbischer Familien geprägt wurde. Zur Vertreibung der Donauschwaben meinte er: “Wir haben Europa aus unserem Land vertrieben. Heute gehen wir in die Knie, damit Europa zu uns kommt. Man merkt es noch heute in der Vojvodina: Der Rest Serbiens hinkt in der Entwicklung hinterher, weil man die deutsche Mentalität nicht in der Nachbarschaft hatte.”
In dem legendären Buch von Nenad Stefanovic “Ein Volk an der Donau”, das von der Donauschwäbischen Kulturstiftung bereits in der vierten Auflage herausgegeben wird, schrieb Prof. Ziletic im Vorwort: “Die Wojwodina-Deutschen wurden bei uns nach 1944 ihrer eigentlichen Geschichte beraubt. Und das bis in unsere Tage und eigentlich nicht so sehr wegen ihrer Haltung 1941-1944, sondern wegen ihrer überaus schönen Häuser und ihres Grund- und anderen Besitzes. Um ihr oft enormes Vermögen beschlagnahmen zu können, …, hat man ihre historische Vergangenheit durch eine mythische ersetzt.” (S.13)
Stefanovic, Nenad: Ein Volk an der Donau. Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung.- München 1999. 4. aktualisierte Auflage 2009. 262 Seiten. Preis: 15 Euro. Zu beziehen über die Donauschwäbische Kulturstiftung - ePost: kulturstiftung@donauschwaben.net

2011-06-26