Fünfkirchen - Zentrum der Donauschwaben in Südungarn

In Zusammenarbeit mit der Landsmannschaft der Donauschwaben - Orts – und Kreisgruppe Rastatt - hatte der Freundeskreis für europäische Jugendarbeit (FeJ) zu einem Dia-Vortrag nach Rastatt eingeladen. Thema: Pécs/Fünfkirchen – Europahauptstadt 2010 und Zentrum der deutschen Minderheit in Südungarn. Referent Martin Schmidt, Journalist und Publizist sowie Vorstandsmitglied der Donauschwäbischen Kulturstiftung, zeigte sich erfreut über das große Besucherinteresse, zu welchem auch Gäste aus dem benachbarten Elsaß beitrugen.

Fünfkirchen im Süden Ungarns nahe der kroatischen Grenze gilt als eine der schönsten und ältesten Städte des Landes, seine klimatisch begünstigte Lage am Fuße der Mecsek-Berge und die zahlreichen Baudenkmäler verleihen dem Ort eine ausgesprochen mediterrane Atmosphäre. Unter dem Motto “Stadt ohne Grenzen” hatte man sich im Oktober 2005 bei der nationalen Kür zur Europäischen Kulturhauptstadt 2010 gegen starke Rivalen wie das Megazentrum Budapest erfolgreich durchgesetzt.

Ausgehend vom Szécheny-tér (Dreifaltigkeitsplatz) veranschaulichte Martin Schmidt in seinen Dias kaleidoskopisch das städtische Zentrum der Schwäbischen Türkei: die auf den Ruinen einer christlichen Kirche erbaute Moschee des Paschas Gasi Khasim als größtes erhaltenes Zeugnis der Türkenherrschaft in Ungarn, eine zu österreichisch-ungarischen Zeiten im 18. Jahrhundert errichtete “Säule der Dreifaltigkeit” sowie die Häuser wohlhabender donauschwäbischer und jüdischer Bürger der späten k.u.k-Ära. Dazu ein üppiger Jugendstilbrunnen mit der für die örtliche Zsolnay-Keramikmanufaktur charakteristischen Eosin-Glasur und das 1907 vollendete neobarocke Rathaus. Nur die archäologischen Relikte der einstigen römischen Provinzhauptstadt Sopianae fehlen hier: Sie sind am Rande des Dommuseums in Form einer frühchristlichen Grabkirche aus der Mitte des 5. Jahrhunderts sichtbar gemacht.
Nicht nur am Domplatz und am Széchenyi-tér wird dem Besucher schnell klar, dass das südungarische Fünfkirchen als Stadt kulturgeschichtlicher Synthesen dem Titel “Europäische Kulturhauptstadt 2010” alle Ehre macht. Denn nicht nur zu römischer Zeit, sondern auch im Mittelalter war das zum Königreich Ungarn gehörende “Quinque Ecclesiae” (fünf Kirchen) ein bedeutendes Kultur- und Handelszentrum mit Bischofssitz, zahlreichen Ordensniederlassungen und der 1367 gegründeten ersten Universität des Landes.

Dieses reiche kulturhistorische Erbe beflügelte die Mitglieder einer Bürgerinitiative, die im Einvernehmen mit einem Großteil der Stadtbevölkerung die Bewerbung zum Erfolg machte. Doch die Euphorie des Jahres 2005 ist längst verflogen. Die Kluft zwischen den hochfliegenden Plänen, allem voran fünf großen Repräsentationsbauten und den realistischen Umsetzungs-möglichkeiten ist beachtlich, dies auch als Folge eines wirtschaftlich- politischen Pessimismus und dem traditionell ungarischen Zentralismus, der sich auch hier vorbehielt, die Feierlichkeiten von Budapest aus zu organisieren. Dennoch sind die Bürger der zwischen Donau und Drau gelegenen 160 000- Einwohner-Stadt zuversichtlich, mit dem Kulturhauptstadt-Programm viele Besucher anzulocken und somit noch mehr ins europäische Bewusstsein zu gelangen.

In einem weiteren Teil seines Vortrags beschäftige sich der Referent mit der Situation der Minderheiten, so auch den rund 60 000 Personen zählenden Donauschwaben in und um Fünfkirchen. Nach Vertreibung und Diktatur sind die Ungarndeutschen heutzutage wieder gut organisiert. Dank dem ungarischen Minderheitengesetz, das inzwischen europäischen Vorbildcharakter besitzt, haben sich die Voraussetzungen der kulturellen Selbstbehauptung verbessert. So gibt es wieder deutsche Schulen wie zum Beispiel das Valeria- Koch-Gymnasium, deutschsprachige Zweige an der Universität und die Vertretung in kommunalen Gremien. Schmerzlich dagegen die seinerzeit von der rot-grünen Bundesregierung veranlasste Schließung des Konsulats in Fünfkirchen, das bis dahin eine wichtige Brückenfunktion nach Deutschland gebildet hatte.

In einem Schlusswort dankte Veranstaltungsleiter Erich Lienhart dem Referenten Martin Schmidt für den informativen und beeindruckenden Lichtbildervortrag, den er als eine ergänzende Veranstaltung zu den erfolgreich durchgeführten Europäischen Kulturtagen 2010 (Thema: Zwischen den Zeiten und Welten: Budapest und Pécs) in Karlsruhe wertete.

Erich Lienhart

2010-06-11