Tagung der Heimatortsgemeinschaften und der Landesverbände in Sindelfingen

Ungarischer Geschichtsmythos widerlegt - Deutsche Ansiedler tätigten im Königreich beträchtliche Investitionen - Neues Zentrum für deutsche Minderheit in Sombor

Sindelfingen (DKS) - Die Anfänge der donauschwäbischen Geschichte und die aktuelle Situation in der Vojvodina standen im Mittelpunkt der Tagung der Heimatortsgemeinschaften, der Landesverbände und deren Gliederungen, die am 26. September im Sindelfinger “Haus der Donauschwaben” abgehalten wurde. Dabei waren auch die neu in ihr Amt gewählten Werner Harasym (Vorsitzender der Donauschwäbischen Kulturstiftung München) und Hermann Schuster (Landesvorsitzender Bayern) sowie Swantje Volkmann vom Donauschwäbischen Zentralmuseum (DZM) Ulm vor Ort.

Nach der Begrüßung des Bundesvorsitzenden Hans Supritz hielt Dr. Karl-Peter Krauss, Leiter des Forschungsbereichs Demographie/Sozialgeographie am Tübinger Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, einen Vortrag zum Thema “Erben und Investieren in das Königreich Ungarn im 18. und 19. Jahrhundert”. Dabei widerlegte er den ungarischen Geschichtsmythos, wonach die Auswanderer mit einem Bündel gekommen und nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Bündel wieder gegangen wären. Neben der von Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Josef II. geförderten Ansiedlung gab es nämlich im 18. Jahrhundert durchgängig Siedlungsströme ins Königreich Ungarn. “Wir denken immer nur an die Kameralansiedlung, weil die am besten dokumentiert ist und deshalb unser klassisches Geschichtsbild bestimmt. Dieses muss aber erweitert werden. Denn in der von der Kameralverwaltung staatlich geförderten Ansiedlungszeit ist nur ein Teil ausgewandert. Viele sind zu anderen Zeiten, zum Beispiel in den 1790er Jahren oder zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ausgewandert und die haben keinen Pfennig erhalten”, stellte Krauss dar. So verkauften viele Auswanderungswillige ihr Hab und Gut, um sich mit einem für ungarische Verhältnisse stattlichen Betrag von 100 bis 200 Gulden auf den Weg zu machen. “Mit 200 Gulden konnte man sich im 18. Jahrhundert zur theresianischen Zeit eine Wirtschaft einrichten. Das war ein tolles Startkapital”, so Krauss, der davon ausgeht, dass die Ansiedler im Durchschnitt 130 Gulden mitbrachten. Damit widersprach Krauss der zuweilen in Ungarn vertretenen Ansicht, die Ansiedlung wäre sehr teuer gewesen, weil das Königreich acht bis zehn Millionen Gulden aufgewendet hätte. Dem stellte der Wissenschaftler einen Vermögenstransfer von dreizehn Millionen Gulden gegenüber, den die Deutschen mitbrachten. Später kamen Erbschaften in Höhe von einer Million Gulden dazu. Diese Erbschaften wurden häufig für den Kauf von Grundstücken verwendet, was wiederum sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg zur Folge hatte. Ungarn profitierte also in erheblichem Maße von den Investitionen, welche die deutschen Kolonisten tätigten. “Das waren zwar alles kleinere Beträge, machten in der Summe aber ein erhebliches Potenzial aus”, betonte Krauss. Bei den Auswanderern habe es sich vorwiegend um die so genannte ländliche Unterschicht gehandelt. “Es war die ärmere Schicht, die landarmen Leute, aber nicht die, die an völliger Armut litten. Dass ein Teil der Auswanderer mit einem Startkapital in Ungarn ankam, entwertet die Aufbauleistung der Donauschwaben nicht”, lautete das Fazit von Krauss.

Mit der aktuellen Situation in der Vojvodina beschäftigte sich Franz Wesinger, der über die “Entstehung, Einweihung und Bedeutung für die Region und zukünftige Aufgabe des ‘Hauses der Versöhnung mit Gott’ in Sombor/Vojvodina” sprach. Das Haus, das dem “Deutschen Humanitären Verein St. Gerhard/Sombor” für 99 Jahre von der Diözese Subotica zur Verfügung gestellt wurde, feierte am 23. Mai 2009 seine Einweihung. Leiter des Hauses ist Anton Beck, der Vorsitzende der rund 3500 Personen umfassenden deutschen Minderheit im Bezirk Sombor. Dieses Haus, das sich der Pflege des christlichen Glaubens verschrieben hat (regelmäßige Feier der Heiligen Messe in deutscher Sprache), könnte sich als Zentrum für die Deutschen in der Vojvodina entwickeln. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Oberbürgermeister von Sombor - ein Enkel von Alt-Serben und Angehöriger der Demokratischen Partei -, dessen Stellvertreter übrigens Donauschwabe ist, bereits seine dreijährige Tochter im deutschen Kindergarten angemeldet hat. Die Verbreitung der deutschen Sprache sowie die Pflege der Massengräber in Gakowa und Kruschiwl gehören außerdem zu den Aufgaben des Vereins, der knapp 700 Mitglieder hat. Weil pro Jahr 7700 Euro Betriebskosten anfallen, warb Wesinger um Spenden für das “Haus der Versöhnung”. Wer dieses von viel Idealismus getragene Projekt unterstützen will, der kann das auch über die Donauschwäbische Kulturstiftung tun.

2009-09-28