Rezension des Buches von Tvrtko P. Sojcic

Die “Lösung” der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945

Tvrtko P. Sojcic: Die “Lösung” der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945. Kalküle und Illusionen.
Stuttgart 2008. Franz Steiner Verlag.
(Historische Mitteilungen Beiheft 71. Im Auftrage der Ranke-Gesellschaft).
475 Seiten, 78 Euro.
ISBN 978-3-515-09261-6

Bei vorliegender Arbeit handelt es sich um eine an der Universität Essen am Institut für Neuere Geschichte eingereichte Dissertation. Der in Deutschland lebende Autor mit kroatischem Hintergrund entlarvt die kommunistische Propaganda des Tito-Jugoslawien und deckt auf, in welch erschreckendem Ausmaße die wissenschaftliche Literatur noch heute davon geprägt ist. Als Gründe für diese Nachwirkungen führt Sojcic einerseits die offenkundige Überforderung der meisten westlichen Historiker und Journalisten, andererseits den auch nach 1989 noch bestehenden politischen Druck auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien an (S.16/17).

Sojcic kritisiert in diesem Zusammenhang die jahrzehntelange Tabuisierung zweier Opfergruppen in der jugoslawischen Geschichtsschreibung: die donauschwäbische Zivilbevölkerung und die Angehörigen der kroatischen Armee, die bei Bleiburg oder in Slowenien kapitulierten und anschließend erschossen wurden. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass durch den kommunistischen Terror “alleine nach dem Kriegsende im Vergleich zu den Opfern von Jasenovac (Konzentrationslager im kroatischen Ustasa-Staat, in welchem zehntausende von Serben ermordet wurden, Anm.d. Verf.) schätzungsweise doppelt so viele Volksfeinde vernichtet” wurden (S. 398).

Aus donauschwäbischer Sicht besonders interessant ist der dreizehnseitige Exkurs über “Die ´Schuld’ der Volksdeutschen am Zusammenbruch Jugoslawiens” (S.103 ff.). Für die Bearbeitung dieses Themas zog Sojcic eine Reihe an Veröffentlichungen der Donauschwäbischen Kulturstiftung heran, unter anderen das “Weißbuch der Deutschen in Jugoslawien” (inhaltsgleich mit dem Leidensweg), das Taschenbuch “Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944-1948”, das englischsprachige Buch “Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944 -1948” und das Rechtsgutachten von Prof. Blumenwitz. In dem Exkurs wird die “undifferenzierte Behauptung, die Volksdeutschen seien für den militärischen Untergang Jugoslawienss verantwortlich gewesen” (S.115) widerlegt. Ebenfalls widerlegt wird die noch immer häufig anzutreffende kommunistische Propaganda-These, die bedauerlicherweise auch Eingang in den Ausstellungskatalog “Daheim an der Donau. Zusammenleben von Deutschen und Serben in der Vojvodina” (Novi Sad, Ulm 2009. S.210/211) gefunden hat, die Deutsche Mannschaft wäre bereits im April-Krieg 1941 tätig gewesen. Tatsächlich erfolgte die Aufstellung jener Organisation, die Schutz vor Partisanenüberfällen bieten sollte, erst im Sommer 1941 (S.108). Erwähnung findet auch die Tatsache, dass die deutsche Minderheit in Jugoslawien während des Angriffs des Deutschen Reiches zu 80 Prozent dem Einberufungsbescheid ihres Heimatlandes Folge leistete, während das nur 60 bis 70 Prozent der slawischen Bevölkerung tat (S.107). Sojcic sieht die deutsche Volksgruppe in der Zeit der Besatzungspolitik als Täter und Opfer “des ideologischen Konflikts zwischen dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus einerseits sowie der Stellung als Minderheit zwischen den slawischen Nationalismen andererseits” (S.115). Er bestätigt Georg Wildmann, wenn er in Anlehnung an ihn von einem “partiellen Völkermord” schreibt, der an den Donauschwaben Jugoslawiens zwischen 1944 und 1948 verübt wurde (S.115).

Sojcic verweist auch auf die “genozidalen Methoden” (S.296) sowie auf die “antiserbischen Kroatisierungsbestrebungen, welche mitunter die Schwelle zur ‘Genozidalität’ überschritten haben dürften” (S.397) des “Unabhängigen Staates Kroatien” (USK). Das rund 100 Seiten umfassende sechste Kapitel ist mit dem Titel “Der Ustasa-Terror” überschrieben. Die Eskalation unter dem Regime der Ustasa wäre Hass-Komplexen geschuldet, welche sich durch die “repressive Zwischenkriegspolitik Belgrads” aufgeladen hätten. “Niemand außer den Serben” wäre bereit gewesen, diesen Staat 1941 zu verteidigen. Der Autor bemerkt, dass die deutschen Truppen “nicht nur in Zagreb” mit Begeisterung empfangen wurden (S.13). Die rund eine Million Kriegsopfer der Bevölkerung Jugoslawiens, die Sojcic in Anlehnung an Vladimir Zerjavic nennt (S.399), hätten vermieden werden können, wenn die “verhältnismäßig günstigen Aussichten auf eine Beibehaltung der Neutralität Jugoslawiens” nicht von einer “verantwortungslosen serbischen Offiziersgruppe, die das Wohl ihres Landes britischen Interessen und persönlichen Eitelkeiten opferte”, mit dem Belgrader Staatsstreich zunichte gemacht worden wären (S.394). Im anschließenden Bürgerkrieg neutralisierte der “nationalistische Dualismus bzw. die sich spiegelnde Gewalt- und Eliminationsbereitschaft” der kroatischen Ustasa sowie der serbischen Cetniks beide Seiten im Kampf gegen “die immer stärker werdende und ebenfalls eine gnadenlose Liquidierungspraxis anwendende Partisanenbewegung” (S.395/396). Entsprechende Hass-Aufrufe der jugoslawischen Kommunisten in der “Borba”, dem Partei-Organ, sind in den Anlagen nachzulesen. Dort heißt es am 8. Februar 1943 im Hinblick auf das “faschistische Heer – zusammengesetzt aus Deutschen und Italienern, aus Pavelics Legionären, aus schwarzen und gelben Ustase, aus Domobrani und den Cetnice von Draza Mihailovic” auf Seite 427: “Die faschistischen Hunde fühlen, daß sie Hunde sind, tollwütige Hunde, daß sie auf der untersten Stufe aller lebenden Geschöpfe stehen … Erzieht sie nicht um. Verschwendet nicht vergeblich eure Zeit. Belehrt sie nicht eines Besseren. Sie wissen, was Sie tun. Tötet sie wie Hunde, so wie sie es verdient haben. … Rottet sie ohne Gnade aus.”

In der vorliegenden Arbeit wird durchgängig die analytisch-deskriptive und explikative Methode verwendet. Bei kontroversen Fragestellungen und nicht eindeutig verifizierbaren Sachverhalten entschied sich Sojcic für eine vergleichende Herangehensweise, “um dem Leser die Bildung eines eigenständigen Urteils bzw. die Recherche unterschiedlicher Auffassungen zu ermöglichen” (S.17). Ausdrücklich erwähnt Sojcic, dass seine Dissertation keine abschließende Bewertung bietet, sondern vielmehr eine “Bestandsaufnahme der aktuellen historischen Forschung” (S.13). Bewusst wurde auf einen normativen Überbau verzichtet, da nach Meinung des Autors gerade dieser – neben der “Camouflierung politischer Interessen” - “im 20. Jh. die größte Blockade bzw. Irrtums- und Manipulationsquelle für die historische Forschung” darstellte. Bemerkenswert das Fazit des Historikers: “Zum Ende dieser Forschungsarbeit bietet sich ein Bild, das fraglos ernüchtert, verwundert und auf einen großen Forschungsbedarf für die bislang tabuisierten oder völlig politisierten Themen verweist.”

2010-03-14